Ehemalige Pfarrscheune wird zum Entbindungsheim Ehepaar Heidorn hat Umbau- und Restaurierungsarbeiten bald abgeschlossen (Das Fachwerkensemble in Rödgen ist ein Schmuckstück für den ganzen Gießener Raum. In der zum Wohnhaus umgebauten ehemaligen Pfarrscheune rechts wollen die Inhaber Wolf-Dieter Heidorn und seine Frau Dorothee demnächst ein Entbindungsheim einrichten. In der Mitte des Hofes die früheren Futtertröge aus den Stallungen, die unter Anleitung eines Bildhauers zu einem kunstvollen Arrangement geordnet wurden.) GieBen-Rödgen (erk). Vom notwendigen "langen Atem" hatte der Anzeiger geschrieben, als er im November letzten Jahres die Arbeit der befreundeten Ehepaare Roth und Heidorn vorstellte. Die hatten sich nämlich zum Ziel gesetzt, das alte Rödgener Pfarrhaus samt Scheune und Nebengebäuden im alten Stil zu Wohnzwecken zu restaurieren. Inzwischen sind sie einem ZIel ganz nahe: Die ehemalige Scheune ist als schmuckes Wohnhaus fast fertig, "Langen Atem brauchten wir wahrhaftlg", meinten dazu Wolf-Dieter Heidorn und seine Frau, die das Haus gestern vorstellten und dabei eine kleine Sensation verrieten. Dorothee Heidorn, die bisherige Leiterin der Hebammenschule an der JLU-Frauenklinik, will außer ihrer Wohnung dort nämlich ein Entbindungsheim etablieren - die erste Einrichtung dieser Art im ganzen Umkreis Gießen. Beim Innenausbau ebenso wie bei der Außengestaltung haben die Heidorns versucht, möglichst natürliche und traditionelle Baustoffe zu verwenden. Holz dominiert, bei den Innenwänden entschieden sie sich für Gipsputz. Die beiden singen dabei ein Loblied auf Handwerker aus dem Vogelsberg, die sich der Aufgabe nach anfänglichem Zögern mit sehr viel Engagement angenommen hätten. Den Hof wollen die Heidorns gänzlich mit Basaltsteinen pflastern. Prunkstück des Hofs bilden alte Steintröge, die ursprünglieh in den Stallungen standen, und nach einem Modell des mit den Heidorns befreundeten Hirzenhainer Bildhauers Walter von Rüden zu einem kunstvollen Arrangement angeordet wurden. "Die Rödgener, die hier vorbeikamen, haben zuerst gelächelt, später aber gestaunt, was man mit solch alten Trögen noch machen kann", erzählt Wolf-Dieter Heidorn, der eine Flasche Sekt "köpfte", als der oberste Steintrog mit Hilfe eines Baggers auf seinen jetzigen Platz gehievt worden war. "Unter den werdenden Müttern gibt es einen zunehmenden Trend, die Kinder nicht in der sterilen Klinikatmosphäre zur WeIt bringen zu wollen", kommt Dorothee Heidorn auf ihren Plan eines Entbindungsheims zu sprechen. Sie war im Wetteraukreis lange Zeit frei praktizierende Hebamme und drei Jahre lang in der Entbindungsstation der Frauenklinik tätig. "Ich möchte hier den Frauen, die ihr Kind ,normal' zur Welt bringen wollen ohne großen Gerätepark einer Klinik, eine Alternative bieten", erläutert sie. Gleichzeitig sollen aber die möglichen Risiken einer Hausgeburt vermieden werden - eine entsprechende Ausstattung garantiert dafür im neuen Entbindungsheim ebenso wie die Zusammenarbeit mit zwei Gießener und einem Lollarer Gynäkologen, die bei Bedarf jederzeit erreichbar sind. Die Leistungen von Ärzten und Hebamme können normal über die Kasse abgerechnet werden, im Hinblick auf die Anerkennung eines entsprechenden Tagessatzes verhandelt Dorothee Heidorn noch mit Kassenvertretern. Fünf Plätze in der zum Wohnhaus umgebauten Scheune sollen für das Entbindungsheim zur Verfügung stehen. Die Mütter sollen dabei mit ihren Kindern stets zusammensein können. ("Rooming in"). "Unter Anleitung einer erfahrenen Hebamme werden die Mütter hier ihre Kinder pflegen lernen", erläutert Dorothee Heidorn eine ihrer Zielvorstellungen. Anmeldungen interessierter Mütter für das Entbindungsheim, das schon im kommenden Monat eröffnet werden soll, hat sie nach eigener Auskunft bereits in großer Zahl vorliegen - kein Wunder, denn das Fachwerkgebäude und der parkartige Garten erzeugen eine Atmosphäre, in der sich nicht nur junge Mütter wohlfühlen. Gießener Anzeiger, 14.06.1985