Unterstützung für das Entbindungsheim Frauenbeauftragte, Elternverein und Verband Deutscher Hebammen am Wochenende in Rödgen GieBen-Röclgen (zö). Gefährdet ein Entbindungshaus mit fünf Betten die Ziele des Landeskrankenhaus-Bedarfsplanes? Diese Auffassung vertreten offenbar die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen und der Ersatzkassen. Leidtragende sind Dorothea Heidorn und ihr Mann Wolf-Dieter. Sie hatten zum ersten Juli 1985 ihr privates Entbindungshaus "Am Bahnhof" im Gießener Stadtteil Rödgen aufgemacht. "Ein Traum ging damals fiir uns in Erfüllung", weiß Wolf-Dieter Heidorn. Nach ihrer Ausbildung ist es den Hebammen nämlich gestattet, selbständig eine Entbindung durchzuführen. "Dazu ist auch kein Arzt notwendig", erklärt Heidorn. Deswegen träumen viele freiberufliche Hebammen davon, ihr eigenes Entbindungshaus (die waren in den fiinfziger Jahren schon einmal groß in Mode) aufzumachen. Für die Heidorns wurde ihr Traum jedoch schon bald zum finanziellen Alptraum - als sie nämlich merkten, daß die Krankenkassen sich weigerten, die Gebühren für den Aufenthalt im Heidorn'schen Haus zu übernehmen. Lediglich die Entbindung wird heute bezahlt, das steht so im Gesetz. Alle anderen Kosten für Aufenthalt und Verpflegung werden nicht übernommen. Dabei ist der Tagessatz im "Entbindungshaus Heidorn", vergleicht man ihn mit dem der Gießener Krankenhäuser, deutlich günstiger, 150 Mark muß man pro Tag bezahlen, so Heidorn. Aber eben diese 150 Mark wollen die Krankenkassen nicht übernehmen. Das Entbindungshaus gefährde die Ziele des Bedarfsplanes fiir die Krankenhäuser des Landes Hessen, so argumentieren die Krankenkassen. Als Krankenhaus müßte das Heidorn'sche Haus eigentlich in diesem Plan verzeichnet sein. "Doch ein Hereinkommen ist nicht möglich", erklärt Wolf-Dieter Heidorn, "die Vertreter haben mich sogar ausgelacht, als ich den Vorschlag gemacht habe." "Als Krankenhaus müssen wir im Bedarfsplan verzeichnet sein, wirft man uns vor. Es ist aber auch schon zu Fällen gekommen, wo werdende Mütter von ihren Kassen zu hören bekommen hätten, ,das ist kein Krankenhaus, deswegen bezahlen wir nicht'", erzählen die Heidorns. Sie empfinden die Begründung der Kassen als lapidare Ausrede, Mittlerweile haben sie auch schon Klage eingereicht. Das Gießener Sozialgericht soll die Streitpunkte klären. Unterstützung im Streit erhalten die beiden vom Verband Deutscher Hebammen (VDH) und dem Elternverband "Bewußte Geburt". Die beiden Vereine waren am Samstag zu eInem Treffen mit der Gießener Frauenbeauftragten, Ursula Passarge, nach Rödgen gekommen. Insbesondere die Eltern übten dabei scharfe Kritik an der Vorgehensweise der Ersatz- und Krankenkassen. Sie haben sich jetzt auch einen Anwalt genommen und wollen vor Gericht ziehen. Ihnen kommt es auf die "bewußte Geburt" an, bei der schon von der ersten Minute an ein Kontakt zwischen beiden Elternteilen und dem Neugeborenen geknüpft werden soll. Dazu gehört auch, daß die Geburt ohne Medikamente eingeleitet wird. "Sie soll zum natürlichen Zeitpunkt kommen", erklärt Dorothea Heidorn, die auch schon während der Schwangerschaftsvorbereitung Kontakt zu den Eltern aufnimmt. Die Väter sind übrigens immer mit dabei, sie können auch im Zimmer mit dem Kind schlafen. "Am Bahnhof" in Rödgen fiebert man nun dem Ergebnis der Gerichtsverhandlung entgegen. Das wird noch in diesem Jahr erwartet. Gießener Anzeiger, 10.08.1987, S. 10