Grauslige Weiber ließen die Fetzen fliegen »Ohne X geht niX«: Die »Menubeln« inszenierten zynisch-lästerliche Show Der Untertitel ihrer Show lautete: »Eine GENiale mädieske Katharsis in vielen An- Um- und Aufzügen mit Tanz und Gesang.« Die drei Akteurinnen am Freitagabend im Bürgerhaus in Kleinlinden, »Die Menubeln« (aus dem Jiddischen, bedeutet »grauslige Weiber«), erwiesen sich als wirklich: grauslige Weiber, die zynisch, rotzfrech und mit viel beißendem Humor die Entwicklung der Gen-Technologie aufs Korn nahmen. Erika Deutinger, Elke Hesse und Jeanette Tanzer sangen, tanzten, redeten zwei Stunden ohne sichtbare Zeichen von Ermüdung über heiße Eisen wie Retortenbabies, In-Vitro-Fertilisation, Tiefkühlembryonen und Abtreibung. Im Rahmen des gleichzeitig stattfindenden Kongresses »Gebären aus eigener Kraft« schloß sich ihre Show unmißverständlich dem Tenor an: »Laßt endlich die Finger weg von der Frauendomäne Schwangerschaft und Geburt.« Daß das Programm der drei Frauen und ihres musikalischen Begleiters und Komponisten Fürchtegott Fröhn alles andere als »säuerliches Emanzengequatsche« war, erwies sich bereits bei den ersten Takten. Geistreich und haarscharf trafen sie den Nagel auf den Kopf, stellten die bornierte Selbstherrlichkeit patriarchaler Macht mit soviel Witz und entlarvender Komik auf den Kopf, daß das Lachen trotz ernstem Hintergrund nicht im Halse steckenblieb. Brillant war ihre Show nicht nur inhaltlich. Neben thematischen Treffern hatten die drei viel schauspielerisches, stimmliches und tänzerisches Talent zu bieten. Ironisch spielten sie das perverse Szenario um hochgezüchtete Embryonen unter Optimalbedingungen mit, inszenierten Situationen in Forschungszentren, wo ein steinalter Professor ein hochbegabtes Kind züchten möchte. Der Embryo jedoch ist plötzlich spurlos verschwunden, man überlegt, wie man den Alten hinhalten kann, bevor der ganze Schlamassel auffliegt. Eine andere Situation, die gekonnt überzeichnet war und doch womöglich gar nicht so weit weg von der Realität ist: Die Fristenregelung hat sich endlich durchgesetzt, eine Frau steht in der Arztpraxis und bekommt eine giftgrüne Armbinde, die sie bis zum Abbruchtermin zu tragen hat: ein Zugeständnis an die CSU. Die Dame solle sich inzwischen einen Vornamen für das Kind ausdenken, damit es ordnungsgemäß bestattet werden könne: ein Zugeständnis an die katho!ische Kirche. Im Anschluß an den letzten Part ihrer Show, »Ohne X geht niX«, tobte das Publikum. Mehrere Zugaben mußten die Künstlerinnen noch geben, bevor sie die Bühne verlassen durften. »Schade, daß während des Kongresses keine Gen-Forscher anwesend waren und sich an der Diskussion beteiligten«, äußerte sich eine Tagungsteilnehmerin. So blieben die Gegner des »Perversen Umgangs mit Leben« unter sIch. Aber die Fetzen flogen auch so. uk Giessener Allgemeine, 06.04.1992