Guten Morgen, Liebe Leser! Die Polizei bekommt durchaus nicht jeden Tag nur freundliche Worte zu hören; oft ist das Gegenteil der Fall. Doch gestern kam ein dickes Lob. Die Hebamme eines privaten Entbindungsheimes im Stadtteil Rödgen rief in der Redaktion an und erzählte von einer Begebenheit des Vortages, die keinen Eingang in die täglichen Polizeimeldungen gefunden hatte. Schon das ist erstaunlich, weil doch die Ordnungshüter ansonsten meist nur von Unfällen, Diebstählen oder Betrügereien zu berichten haben, was sie selber ja kaum zum Totlachen finden werden. Von daher hätte man schon vermuten können, daß den beamteten Öffentlichkeitsarbeitern die Feder vor Freude nur so springen würde, um den Lesern einmal eine nette Gechichte aus dem Leben eines Streifenbeamten erzählen zu können ... Diesen Part hat die Hebamme übernommen. Sie war am Montag abend zur dicksten Rush-hour nach Rödgen gerufen worden, wie sie erzählte, weil dort eine Frau mit starken Wehen kurz vor der Niederkunft stand. Doch die Hebamme konnte so rasch nicht eilen, wie sie eigentlich wollte, weil vor lauter Autos die Fahrtroute kaum mehr zu sehen war - wohl aber einer jener grünen Wagen, die nicht bei allen Verkehrsteilnehmern reines Entzücken zu entlocken pflegen. In diesem Fall aber sehr wohl. Ein Bekannter besagter Hebamme konnte im Bereich Friedrichstraße/Ludwigstraße den Beamten stoppen, ihm die Lage schildern und auf seine Hilfe hoffen, was nicht vergebens war. Der gute Mann in Grün eskortierte das Fahrzeug der Hebamme binnen weniger Minuten durch Gießen und nach Rödgen und die junge Frau im Entbindungsheim konnte in aller Ruhe und unter bester Obhut ihr Kind zur Welt bringen. Was lernen wir daraus? Der Slogan "Die Polizei, dein Freund und Helfer" mag zwar vielen nicht mehr zeitgemäß klingen, aber von Zeit zu Zeit erweist er sich im individuellen Fall als überaus klangvoll. Außerdem hat das alte Vorurteil einen Dämpfer erhalten, in der Zeitung stehe immer nur Negatives. Im Gegenteil: Die positiven Dinge häufen sich sogar, gestern beispielsweise durch die Freigabe der Marburger Straße - nach Bauarbeiten von drei Jahren. Wenn das nicht entzückt! E. Giessener Allgemeine, 17.06.1992