"Tod zu jedem Zeitpunkt des Lebens präsent"
Veranstaltung zum Thema Lebensanfang und Lebensende
GIESSEN-RÖDGEN (mel). "Lebensanfang-Lebensende", zwei Stationen im Leben eins jeden Menschen, die unvereinbar scheinen. Die Veranstaltung zu diesem Thema, organisiert von dem Verein für bewußte Elternschaft und Geburt, wollte zeigen, daß diese zwei Abschnitte sehr wohl zusammengehören. Die beiden zu diesem Thema eingeladenen Rednerinnen entstammten zwei Berufsgruppen, wie sie unterschiedlicher kaum sein können. Zum einen Lisa Freund, ehrenamtliche Sterbebegleiterin, zum anderen die Hebamme Dorothea Heidorn, die Gründerin des ersten deutschen Geburtshauses in Rödgen. Sie brachte es dann auch gleich zu Anfang auf den Punkt: "Der Tod ist zu jedem Zeitpunkt des Lebens präsent." Auch eine Hebamme werde im Kreißsaal mit dem Tod konfrontiert, schließlich sei der Tod nicht nur auf das Alter beschränkt. Lisa Freund ging in ihren Ausführungen zunächst auf die Bedeutung des Todes in der Gesellschaft ein. Früher, als es noch die intakte Großfamilie gab, da konnten, so Lisa Freund, Lebensanfang und Lebensende einen Kreislauf bilden, da Geburt und Tod im Haus stattfanden. Die Bedeutung des Todes habe jedoch eine Veränderung erlebt, der Tod werde verdrängt. Sie erklärte, daß es der Wunsch sehr vieler Menschen sei, zu Hause zu sterben. Andererseits sieht sie die Tendenz, die Kranken in Pflegeheime abzuschieben und somit auch die Verantwortung für sie abzugeben.
Dem möchte sie entgegenwirken, indem sie Angehörige und Sterbende betreut und ihnen mit Rat und Tat zur Seite steht. Als Mitbegründerin des Hospizvereins DASEIN e. V. Berlin, dessen Hauptaufgabe in der Betreuung von Sterbenden und deren Angehörigen besteht, konnte Lisa Freund konkrete Hilfsmöglichkeiten aufzeigen.
Die Verbindung zu dem Thema Lebensanfang konnte nun Docothea Heidorn hersteIlen. Sie betonte, daß es für Sterbende sowie für Gebärende sehr wichtig sei, die äußeren Umstände und die Menschen, die sie begleiten sollten, selbst zu bestimmen. Beide Rednerinnen schilderten auch ihre eigenen Erfahrungen im Umgang mit dem Tod. Es sei sehr wichtig, daß der Sterbende in Frieden mit sich selbst geht.
Lisa Freund berichtet anschaulich aus ihrer Tätigkeit im Berliner Hospiz. Der Afrikaner James, im letzten Stadium seiner AIDS-Erkrankung hatte einen besonderen Wunsch: Er wollte noch einmal in einen Jazz-KeIler und mit seiner Band musizieren. Trotz ärztlicher Bedenken wurde der Transport in den Jazz-KeIler organisiert. James nahm seine ganze Kraft zusammen und sang, als die Band sein Lieblingslied spielte, noch einmal mit. Zurück im Hospiz konnte er dem Tod in Frieden entgegensehen, sein letzter Wunsch war ihm erfüllt worden.
In Gießen gibt es den "Ambulanten Hospizdienst und Trauerbegleitung".
Gießener Anzeiger, 19.04.1996, S. 24