Erstes Rödgener »Wannenkind« heißt Leonhard Gießen-Rödgen (av). Draußen erwacht die Natur zu neuem Leben, im kleinen Gartenteich tummeln sich die Frösche unter der warmen Frühlingssonne. Drinnen kommt das ganze Jahr über neues Leben zur WeIt, gebären Frauen ihre Kinder. Und das auch im Wasser: Die Gebärwanne, über die das Entbindungshaus Gießen seit einem halben Jahr verfügt, wurde vor knapp vier Wochen zum ersten Mal ihrer Bestimmung voll und ganz gerecht. Ein kleiner Biebertaler gelangte am 8. März im Wasser aus dem Mutterleib. Darüber freuten sich die EItern Carola und Emst-Joachim Seim sowie Desiree, die 14jährige Schwester des neuen Erdenbürgers. Die FamiIie ist im Ortsteil Frankenbach zu Hause. Leonhard heißt das Sonntagskind, das weder ins Wasser fiel, noch mit dem Bade ausgeschüttet wurde. Vielmehr kam er mittels einer aus der Antike bekannten »uralten Methode« zur Welt, wie Hebamme Dorothea Heidorn beim Besuch der AZ berichtet. In ihrer seit 13 Jahren bestehenden Einrichtung in Rödgen, Zum Bahnhof 28, sind Säuglinge zwar schon öfter in der herkömmlichen Wanne sicher »gelandet«. Die eigens dafür angeschaffte und entsprechend ausgestattete Gebärwanne aber war nun - dank Leonhard und seiner Mutter - erstmals Geburtsstätte. Bislang hatten schwangere Frauen darin gebadet. Nach den Erfahrungen von Heidorn werden Alternativen zur Geburt im Bett zunehmend angewendet, und das auch in Kliniken. Dort sei es mitunter allerdings so, daß der vorhandene Hocker oder die Wanne nicht benutzt würden. Im Wasser könne die werdende Mutter optimal entspannen, meint die erfahrene Hebamme. Sie weiß aber auch, daß auf Seite der werdenden Mutter viel Selbstvertrauen nötig ist und manche Interessentin an einer Wassergeburt sich kurz vorher doch für einen anderen Weg entscheidet. Angst, so begründet Heidorn, sei hierzulande halt »infektiöser als Vertrauen«. Das Vertrauen in diese Methode stellte sich bei Carola Seim spontan ein. »Intuitiv« sei sie dem schon lange gehegten Wunsch gefolgt. Sie habe den Jungen im Wasser in die eigenen Hände geboren, die Nabelschnur nach dem Auspulsieren selbst getrennt und den kleinen Leonhard noch eine Weile auf ihrem Bauch bei sich in der Wanne behalten. Seine Geburt sei mit natürlichen Wehen und ohne Schmerzmittel sowie einfacher und kürzer als bei der Tochter verlaufen; der Vater war beidemal dabei. Für die zweimalige Mutter ist trotz ihrer eigenen guten Erfahrung mit dem Gebären Im Wasser klar, daß jeweils die betroffene Frau für sich entscheiden solle: »Sie muß sicher sein, daß sie das will.« Giessener Allgemeine, 04.04.1998, S. 30