Zwischen Lebensbeginn und Tod...
Mittelhessen-Premiere des in Rödgen und Köln gedrehten Films »Leben« von Heide Breitel
Lich/Gießen (jeh). Die Idee ist ebenso beeindruckend wie naheliegend: Ein Dokumentarfilm vereint Anfangs- und Endpunkt des Lebens, stellt Geburt und Sterben nebeneinander und zeigt so die vielfältigen Verbindungslinien zwischen beiden Polen auf. Die Filmemacherin Heide Breitel hat diese Idee zum Anlass genommen, Menschen in ganz besonderen Situationen aufzusuchen und für ihren Dokumentarfilm »Leben« zu portraitieren, der am Mittwoch im Licher Kino »Traumstern« der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Das Geburtshaus in Gießen-Rödgen ist einer der beiden Orte, den die Berlinerin für ihren Film aufgesucht hatte. Von Frühling bis Herbst begleitete sie drei werdende Mütter und deren Familien, die sich für eine Geburt ihres Kindes abseits der klinischen Atmosphäre des Krankenhauses entschieden hatten. Freudige Erwartung prägt hier das Bild; auch ein Stück Gelassenheit spielt mit, da es für die meisten Frauen nicht die erste Entbindung war. Aber auch über ihre Sorgen berichteten die werdenden Mütter; über die bevorstehende Geburt, die niemals Routine sein kann, und die finanzielle und physische Belastung, die eine kinderreiche Familie bedeuten kann.
Breitel verknüpfte die Interviews und Einblicke in das Gießener Geburtshaus mit Eindrücken aus einem Sterbehospiz für krebskranke Menschen in der Nähe von Köln. Ein Ort des Abschieds vom Leben der jedoch auch dessen Entdeckung bedeuten kann: Für viele Bewohner, so formuliert es die Sterbebegleiterin Sibilla Brombach-Lersch, sei ihr Aufenthalt wie eine »zweite Geburt«, die ein neues Bewusstsein für das eigene Leben schaffe.
Behutsam näherte sich Breitel den Menschen im Hospiz, sensibilisiert für deren Situation, was gleichsam schonend für den Zuschauer ist: Eindrücklich, aber nicht zu schmerzhaft ist diese Konfrontation mit dem Tod und der eigenen Vergänglichkeit.
Eigentlich, so war es geplant, sollte die Regisseurin an diesem Abend im »Traumstern« selbst zugegen sein, um auch mit interessierten Zuschauern reden zu können. Zwar wurde Breitel krankheitsbedingt davon abgehalten, diese Chance wahrzunehmen, doch fanden sich einige Mitwirkende ein, um über »Leben« zu diskutieren. Gerade Dorothea Heidorn, die Leiterin des Geburtshauses in Rödgen, gab sich, wie schon im Film, kämpferisch und forderte eine Abkehr von der in den meisten Krankenhäusern praktizierten Entbindungspraxis.
Die anschließende Diskussion spiegelte die Glaubenskämpfe wider, die zwischen Schulmedizinern und Vertretern alternativer Methoden toben. Geburt und Tod, so lässt sich schließen, sind - neben ganz persönlichen Erfahrungen - Themen mit politischer Brisanz.
Der Ausgangspunkt für diese Erkenntnis, der Dokumentarfilm »Leben«, ist im »Traumstern« noch einmal als Matinee-Vorstellung am 25. Februar zu sehen.
Giessener Allgemeine, 09.02.2001, S. 33